«Zentral scheint mir die Bewältigung des Klimawandels»

Po M FINMA Thomas Hirschi

Thomas Hirschi
Leiter Geschäftsbereich Asset Management der FINMA, Bern

Thomas Hirschi ist Mitglied der Geschäftsleitung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA. Er leitet seit Anfang 2020 den Geschäftsbereich Asset Management.

 

Thomas Hirschi, was ist für Sie Erfolg?
Ich definiere Erfolg, wenn man sich ambitionierte, aber realistische Ziele steckt und diese dann mit Beharrlichkeit, Ausdauer und Teamgeist erreicht.

Was war die beste Entscheidung in Ihrer beruflichen Laufbahn?

Das war für mich die Annahme des Angebots aus Abu Dhabi, die neue Aufsichtsbehörde des internationalen Finanzzentrums Abu Dhabi Global Market aufzubauen. Es ist nicht ohne berufliche Risiken, einem solchen Ruf aus der Wüste zu folgen, aber ich habe diese Entscheidung nie bereut. Im Gegenteil: es war privat wie beruflich eine überaus lehrreiche und bereichernde Zeit. Eine Arbeit im Ausland eröffnet auch neue Perspektiven und eine differenzierte Sicht auf die Heimat. Mich hat insbesondere auch der Austausch mit Kollegen aus aller Herren Länder geprägt. Je nach Kultur gibt es feine, aber wichtige Unterschiede in Bezug auf Hierarchie und Führung, Konfliktmanagement und Problemlösung. Diese Erfahrungen helfen einem, sich beruflich wie persönlich weiter zu entwickeln.

Was treibt Sie an?

Ein gewisser Ehrgeiz, die Dinge, die ich anpacke, gut zu tun. Letztlich möchte ich dem Anspruch genügen, die Herausforderungen so zu erledigen, wie ich es auch von anderen erwarte. Wertschätzung von Kollegen und Vorgesetzten bedeutet mir viel. Letztlich bin ich aber auch ein neugieriger Mensch. Mir gefällt es, neue Themen oder Herausforderungen anzugehen.

Was war Ihre grösste Herausforderung am Anfang Ihrer Karriere?

Als junger Bankregulator erlebte ich die Finanzkrise hautnah mit. Ich war damals in der Aufsicht über die Schweizer Grossbanken tätig und wurde früh vor grosse Herausforderungen im Zusammenhang mit der Krise gestellt. Erwartungen und Druck waren hoch und der Ausgang bis zu einem gewissen Grad auch ungewiss. Es war eine aufreibende, aber auch sehr lehrreiche Zeit. Die staatliche Intervention bei der UBS war dann der eigentliche Höhepunkt; sicherlich ein Schlüsselmoment in meiner bisherigen Karriere. Insgesamt lehrte mich diese Krise eine der zentralen Eigenschaften eines guten Finanzmarktaufsehers: schnell und besonnen zu entscheiden, auch wenn man über unvollständige Informationen verfügt. Wenn man zuwartet und nichts tut, wird man von den Entwicklungen schnell überrannt. Das gilt nicht nur für eine Krise.

Was hat Sie dazu bewegt, das zu tun, was Sie heute tun?

Vieles im Leben ist ja auch ein Produkt des Zufalls. So war es auch nie meine erklärte Absicht, einmal in der Finanzmarktaufsicht zu arbeiten. Was mich aber immer gereizt hat, war die Möglichkeit, etwas zu bewegen und eine für die Gesellschaft relevante Arbeit auszuführen. Dies ermöglicht mir meine Tätigkeit bei der FINMA.

Welche Probleme sollten Politik und Behörden rasch angehen?

Da gibt es natürlich eine ganze Reihe dringlicher Fragen. Zentral scheint mir aber die Bewältigung des Klimawandels. Es ist ein typisches Common-Action-Problem, wie es die Politikwissenschaft formulieren würde. Der einzelne Handelnde hat nur wenig direkten, unmittelbaren Vorteil, wenn er sich umweltfreundlich benimmt, während andere sich nicht daran halten. Es wird am liebsten auf andere gezeigt, anstelle selber zu handeln. Die Gesellschaft als Ganzes ist aber sehr stark von der Problematik betroffen und es besteht grosser Handlungsbedarf für uns alle. Die Politik muss hier griffige Antworten finden. Es wird nicht reichen, die Antworten dem Markt zu überlassen. Es wird wohl auch staatliche Eingriffe und Lenkungsmassnahmen benötigen, um den Einzelnen zum Handeln zu bewegen.

Wo finden Sie in Ihrer Freizeit den Ausgleich?

Ich spiele Tennis und Fussball, gehe gerne wandern, treffe mich mit Freunden und verbringe viel Zeit mit der Familie. Weiter lese ich viel und spiele auch ab und zu Schach.

Mit wem würden Sie sich gerne zum Lunch oder Dinner verabreden?

Mit Roger Federer. Ich würde ihm gerne danken für die wunderbaren Stunden, die ich ihm in all den Jahren beim Spielen zusehen durfte – meistens am TV, aber auch ein paar Mal live. Die sensationellen Siege, die schmerzhaften Niederlagen, die Emotionen… unvergesslich.

Wie heisst Ihr liebstes Reiseziel?

Mexiko. Meine Frau stammt von dort und wir haben natürlich eine sehr enge Beziehung zu Land und Leuten. Die Vielfältigkeit der Gesellschaft, die Geschichte und Kultur und natürlich das überaus variantenreiche Essen sind jedes Mal wieder ein Highlight, wenn wir hinreisen. Schade nur, dass das Land nicht aus den Schwierigkeiten rund um den brutalen Drogenkrieg herauskommt.

Was ist für Sie im Alter wichtiger, was weniger wichtig?

Ich schätze am Älterwerden, dass man zwar nicht zwingend besser weiss, was man will, aber dafür genau weiss, was man nicht will. Heute ist es mir weniger wichtig, überall dabei und ständig unterwegs zu sein. Ich schätze auch die Zeit, in der man nichts los hat und ich nehme mir diese Freiräume auch bewusst heraus.

Welches Buch lesen Sie gerade?

«Nichts» von Janne Teller. Es ist ein Tipp meiner Tochter, die das Buch in der Schule gelesen hat. Es handelt von Jugendlichen und ihre Ansichten über die Frage, was im Leben wichtig ist. Das ist ja eine Frage, die man sich öfters stellt und wohl auch je nach Lebensphase eine andere Antwort darauf hat. Die Sicht der Jugendlichen interessiert mich. Und wer weiss: vielleicht hilft es mir ja, meine beiden Teenager besser zu verstehen.

Was war Ihr liebstes Schulfach?

Geschichte. Sie zu kennen hilft, die Aktualität besser zu verstehen. Sie lernt einen, die oftmals kurzsichtige Brille des Zeitgenossen abzulegen und in Epochen zu denken. Das ist heute wichtiger denn je. Digitalisierung, gesellschaftliche Veränderungen, Klimawandel und politische Spannungen sind eine Mischung, die einiges an Sprengkraft beinhaltet. Die Geschichte liefert zwar keine Antworten, was nun zu tun ist, aber sie kann den Akteuren helfen, die Wichtigkeit ihrer Handlungen einzuordnen und Entscheide mit Weitsicht zu treffen.