"Wir haben enorm viel von Warren Buffett gelernt"

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Georg von Wyss
Partner und Portfolio Manager BWM AG

Georg von Wyss ist Partner bei der BWM AG und Portfoliomanager der Classic Funds. Geboren in Zürich, wuchs er in den USA auf und erwarb einen B.A. in Wirtschaft und Literatur am Columbia College der Columbia University, NY. Nach zwei Jahren als Wertschriftenanalyst bei Julius Bär kehrte er für einen M.A. in Anglistik und vergleichender Literaturwissenschaft an die Columbia University zurück. Nach zwei Jahren im Finanzjournalismus erwarb er einen MBA an der Amos Tuck School am Dartmouth College. Im Jahr 1997 gründete er zusammen mit Thomas Braun und Erich Müller die Fondsboutique BWM AG.

 

Herr von Wyss, Sie haben sich mit BWM Value Investing vor 25 Jahren selbständig gemacht. Wie sah die Schweizer Asset-Management-Landschaft damals aus?

Damals gab es noch kaum kleine, unabhängige Fondsverwalter. Unsere Anfrage bei der damaligen Eidgenössischen Bankenkommission EBK (heute FINMA) hat diese ziemlich überrascht. Sie stellten uns ein neun-monatiges Bewilligungsverfahren in Aussicht, obwohl das damals neue Fondsgesetz ja gerade Start-Ups wie uns hätte fördern sollen. So sind wir in Liechtenstein gelandet, wo die Entscheidungswege, ohne Verlust an Sorgfalt, ungleich viel kürzer waren.

BWM Value Investing gilt als ein Vorzeigebeispiel im Schweizer Asset Management, das eine Nische erfolgreich besetzt hat. Ist dieser Fokus auf Value Investing bewusst geschehen?


Jein. Ich war schon von Anfang an ein überzeugter Praktiker dieses Stils, aber mein Gründungspartner, Thomas Braun, war da im ersten Jahr weniger streng. Erst negative Erfahrungen mit einigen Titeln, die wir zu einem geringen Abschlag zum Inneren Wert gekauft haben und die dann zum heute von uns verlangten 40%-Abschlag gesunken sind, haben uns auf den heutigen Kurs gebracht.

Was zeichnet diesen Stil aus in Bezug auf das Portfoliomanagement?


Grosse Disziplin und Einfachheit. Wir kaufen zu einem Abschlag von rund 40% zum inneren Wert und verkaufen, wenn der Innere Wert erreicht ist, oder wir etwas Besseres finden. Die Diskussionen drehen sich also immer nur um die inneren Werte der Titel, definiert als normale Bewertung unter normalen Umständen. Die ewigen, im Endeffekt sterilen Diskussionen zum Markt-Timing ersparen wir uns fast gänzlich.

Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen für Schweizer Asset Manager mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit?


Innerhalb des Landes haben wir kein Problem, denn es gibt viele gute Leute, und es ist viel Wissen da. Grenzüberschreitend wird es schwierig. Die Fonds selbst sind zwar in Deutschland und Österreich zugelassen, aber BWM AG, als deren Vermögensverwalter, darf ohne eigene Bewilligung nicht öffentlich auftreten. Wie so manche Regulierung ist das kafkaesk, aber so ist es nun einmal.

Was raten Sie jemandem, der sein eigenes Asset-Management-Unternehmen gründen und aufbauen möchte?


Fokussieren Sie auf eine Nische, und starten Sie nur, wenn Sie genug Geld beisammenhaben, um aus den Erträgen die Fixkosten zu decken.

Was treibt Sie jeden Morgen von neuem an?


Was mich antreibt, ist das Ziel, wieder hervorragende Performance zu erreichen. Das hat das Umfeld der sinkenden Zinsen in den letzten Jahren fast verunmöglicht. Aber jetzt stimmen die Voraussetzungen wieder, damit die enormen Unterbewertungen unserer Firmen erkannt werden. Dieser Neubewertungsprozess hat – vor allem kriegsbedingt – die Sektoren Energie und Rohstoffe bereits erfasst, aber in allen anderen ist das Potential noch riesig.

Diese Frage mögen Sie verzeihen: Ist Warren Buffett, der Value-Investor schlechthin, ein Vorbild für Sie?


Eher ein Lehrmeister. Wir haben enorm viel von ihm, Ben Graham und anderen Grössen des Value Investing gelernt.

An einem Arbeitstag: Um wieviel Uhr schauen Sie das erste Mal auf die Börsenkurse, wann das letzte Mal?


Ich schaue sicher nach der Eröffnung ins Bloomberg-Terminal und dann im Lauf des Tages hin und wieder. Wenn nichts Besonders läuft, ist das so eine kleine Pause, aber wenn mich ein Dossier voll absorbiert, dann vergesse ich manchmal die Börse ganz. Den Schluss in New York schaue ich meistens auch an.

Welches Buch liegt bei Ihnen auf dem Nachttisch?


Goethes Wahlverwandtschaften.