"Der Finanzsektor kann nicht alle Herausforderungen der Transition allein bewältigen"

Timo Paul

Timo Paul
Chairman und Co-Countryhead Switzerland, Natixis IM

Timo Paul ist Chairman und Co-Chef Schweiz von Natixis IM. Paul stiess im Jahr 2016 zu Natixis als Managing Director und leitete den Deutschschweizer Markt. Der erfahrene Vertriebsmann war zuvor neun Jahre für das globale Asset Management der UBS als Leiter des Bankenvertriebs für die Schweiz und Liechtenstein tätig. Davor war er Vertriebsleiter bei der Credit Suisse Asset Management.

 

Mit der CS-Übernahme durch die UBS kommt es zu Umwälzungen im Schweizer Asset Management-Markt. Kann es Natixis IM von der Angebotsbreite her mit dem neuen Big Player aufnehmen?

Statt zwei Big Player wie bisher, ist daraus nun ein Big Player geworden. Die Angebotsbreite hat sich unterm Strich nicht vergrössert.
Mit mehr als 15 Investment Managern (Tochtergesellschaften) bieten wir ein breites und qualitativ hochstehendes Angebot diverser Lösungen über alle Asset Classes, Styles und Vehikel an.

Bietet diese starke Konzentration auf einen Anbieter – UBS wird im Schweizer Fondsgeschäft einen Marktanteil von knapp 40 % haben – Chancen für Sie und Natixis IM?

Durch den Merger werden einige Fonds noch grösser, andere hingegen werden verschwinden. Die Frage wird sein, wie sich das auf die Performance und Kosten für die Investoren auswirken wird. Auf der einen Seite wird die Konzentration bei einigen Core Produkten steigen, hingegen öffnen sich Türen in vielen anderen Bereichen, wo wir mit innovativen und flexiblen Investment Managern hervorragende Lösungen bieten.

Der Schweizer Asset Management-Markt ist begrenzt und gilt als gesättigt: Teilen Sie diese Einschätzung?

Der Schweizer Asset Management Markt ist einer der interessantesten und begehrtesten Märkte der Welt. Der Wettbewerb war und ist entsprechend hoch und es findet stets eine gewisse Verdrängung statt. Der Markt bietet aber aus unserer Sicht immer noch ein interessantes Potential.

Was sind die Merkmale des harten Wettbewerbs im Schweizer Markt, mit den Anbieter wie Natixis IM laufend konfrontiert sind?

Die Anzahl Mitbewerber hat in den letzten Jahren weiter zugenommen. In Zürich finden mehr Wettbewerbe und Anlässe als vor der Corona-Pandemie statt und der Margendruck hat weiter zugenommen. Wir beobachten auch, dass viele Mitarbeiter eingestellt werden. Nach ein paar schlechten Monaten oder Quartalen werden sie aber auch genauso schnell wieder entlassen, was uns sehr bedenklich stimmt. Wir fahren eine langfristige Strategie und haben auch während Corona sowie dem anspruchsvollen Jahr 2022 keine Mitarbeiter entlassen.

Natixis IM besteht mehr aus als 15 unterschiedliche Asset Manager, die unter verschiedenen Namen auftreten. Was ist die Strategie dahinter und wie machen Sie diese Ihren Kunden verständlich?

Wir nennen es Expert Collective - Gedankliche Vielfalt fördert die Entwicklung erkenntnisreicher Ideen. Unsere Firma arbeitet eng mit Kunden zusammen, um deren besondere Bedürfnisse zu verstehen und liefert Insights und Investmentlösungen passend für ihre langfristigen Ziele. Das Natixis IM Multi Affiliate Model bietet Investoren aus einer Hand den Zugang zu aktiven und High Conviction Investment Managern. Kunden profitieren sowohl von Diversifikation als auch von nahtloser Investmentexpertise. Wir sind, was Investment Klassen und Investment Styles angeht sowie geographisch gesehen, vielfältig aufgestellt.

Wie beurteilen Sie den zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Portfoliomanagement?

Unterstützung der Portfoliomanager durch schnellere Verarbeitung grösserer Datenmengen, Produktivitätssteigerung, ohne aber die Kontrolle abzugeben. Für die ganze Gesellschaft und insbesondere Anleger ist es wichtig zu verstehen, wie die Technologie funktioniert, interagiert und die Volkswirtschaften, Unternehmen, Institutionen sowie unser Leben ganz allgemein beeinflusst. Unsere Priorität bei Natixis IM besteht darin sicherzustellen, dass wir uns auf jeder einzelnen Ebene unseres Geschäfts und Betriebs auf die Bedürfnisse unserer Kunden konzentrieren und ihr Anlageerlebnis vereinfachen. Dazu gehören: Die Optimierung unseres Produktangebots, die Beschleunigung der Markteinführung, aber auch die Verbesserung von Marktinformationen und Datenanalysen.

Wohin wird diese Entwicklung führen?

Einerseits dürfen wir hoffen, dass die Arbeit durch den Einsatz von KI produktiver werden könnte, wenn Aufgaben automatisiert werden, sodass Ressourcen für Tätigkeiten freigesetzt werden, die mehr Wertschöpfung bewirken und so die Wirtschaftsleistung und die Löhne steigen. Doch Automatisierung und tiefgreifender technischer Wandel stossen zunächst gewöhnlich auf Skepsis und Widerstand, weil viele davon ausgehen, sie würden Arbeitsplätze vernichten. Und das könnte bei KI sicherlich der Fall sein.

Welche Schritte sind aus Ihrer Sicht notwendig, um Sustainable Finance bezüglich Impacts zum Durchbruch zu verhelfen?

Das Fehlen gemeinsamer Standards, der Vergleichbarkeit von Daten und des einfachen Zugangs zu Daten sind echte Herausforderungen. Um den Fortschritt zu beschleunigen, sind eine stärkere Harmonisierung der Begriffe in verschiedenen Gerichtsbarkeiten und Transparenz erforderlich. Der Finanzsektor spielt eine zentrale Rolle bei der Ermöglichung des Übergangs zu einer grüneren und nachhaltigeren Zukunft, doch er allein kann nicht alle Herausforderungen bewältigen, vor denen die Welt steht. In diesem Zusammenhang ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor von wesentlicher Bedeutung, und Lösungen wie „Mischfinanzierung“, die auf öffentlich-privater Zusammenarbeit basieren, werden dazu beitragen, die Wirkung nachhaltiger Finanzen zu erhöhen. Die Rolle von Regierungen und öffentlichen Institutionen ist von entscheidender Bedeutung, um den Übergang voranzutreiben und einen festen und präzisen Anreizrahmen für diese Entwicklung bereitzustellen und zu schaffen.

Wie setzen Sie selber Nachhaltigkeit im Alltag um?

Ich fahre mit dem Zug zur Arbeit, fahre Kurzstrecken häufiger mit dem Velo, habe meine 20-jährige Ölheizung durch eine Wärmepumpe mit PV-Anlage ersetzt und kaufe, wenn möglich regionale Produkte. Am liebsten im Dorfladen und beim Bauern in der Nähe.